Wer nicht gefallen ist - ist nicht gefahren

Endlich wieder Semesterferien dachte ich mir. Endlich wieder raus aus dem Uni-Alltag, mal was anderes machen. So war denn auch wieder eine sportliche Unternehmung geplant.
Es sollte in das wunderschöne Österreich gehen, das mit seinen Bergen den Wintersportler geradezu einlädt. Snowboard fahren - das war das Motiv, sich wieder auf die Autobahn gen Süden begeben. Meine beiden Freunde und ich waren voller Erwartungen als wir an unserem Zielort ankamen. Die Erwartungen waren aber unterschiedlicher Prägung. Thorben und ich sind schon öfters mit dem Snowboard die schneeverwehten Hänge hinuntergerast, waren also schon mit einer gewissen Erfahrung nicht ganz so aufgeregt wie Volker.
Seine Nervösität begann, als wir noch mit dem Auto unterwegs waren und die ersten hohen Gipfel Österreichs sahen. Imposant ragte Felsgestein auf beiden Seiten der Straße heraus und türmte sich in einem so gigantischem Maße auf, dass man selbst nicht glauben konnte, dort auf einem Brett hinunter zu rutschen. Volker, unser Anfänger, konnte sich das erstrecht nicht vorstellen. Er fragte nur: "Da sollen wir runter?" Dann wurde er ziemlich ruhig.
Zwei Stunden später waren wir endlich da: Ein kleiner gemütlicher Gasthof am Rande des Zillertals. Die letzten drei Jahre war ich dort. Die Atmosphäre ist dort eine sehr herzliche. Alle sind dort super nett, das Essen ist auch super - deftig österreichisch - super, und der selbstgebrannte Schnaps, Tschuldigung, "Obstler", muss ich ja sagen, ist auch super. Also alles ist "super". Außerdem ist die Lage des Gasthofs ideal. In einer halben Stunde erreicht man mehrere große Skigebiete.
Abends gingen wir nach dem Essen gleich ins Bett, denn wir wollten gleich früh morgens auf die Piste.
Am nächsten Morgen frühstückten wir erstmal kräftig. Ordentlich gestärkt machten wir uns auf den Weg ins nächste Skigebiet. Thorben und ich freuten uns riesig, Volker, so denke ich, freute sich auch - hoffentlich. Während der Fahrt gingen wir die Snowboard-Theorie nochmal gemeinsam durch.
Also eilten wir mit Volker zum nächsten "Idiotenhügel", wie die Österreicher liebevoll die Anfängerpiste bezeichnen. Nachdem wir einige Höhenmeter zu Fuß bewältigt hatten, schnallte sich Volker das Board unter die Füsse. Ich erklärte ihm noch die ersten technischen Schritte, war noch gar nicht fertig, da lag er schon wieder auf dem Boden. Ich stützte ihn beim Aufstehen. Wackelig stand er kurz, machte einige wirre Verrenkungen und lag schon wieder.
Ich wollte ihn aufmuntern und sagte zu Phrasen wie: aller Anfang ist schwer oder jeder fängt mal an. So ging es dann den ganzen Vormittag: ein kurzes Aufbäumen - dann der Sturz.
Dan geht schon an die Substanz. Gerade weil man jedesmal auf bestimmte Stellen seines Körpers fällt, die sich dann mit blauen Flecken zu zieren beginnen.
Mittags machten wir dann eine Pause. Nachmittags ließen wir Volker auf den Anfängerpiste und begaben uns auf die wirklich Pisten. Es war ein reiner Spaß die Hänge hinunter zu heizen und den ein oder anderen Sprung zu wagen. Die Sonne schien, der Himmel war blau - wir waren gut gelaunt. Nach einigen Fahrten wollte ich mal wieder gucken was Volker macht - ob er noch lebt. Er lebte noch. Gerade an dem Hügel angekommen sah ich eine Person, die mit einer hohen Geschwindigkeit auf mich zu kam. Dann erkannte ich, dass es Volker war. Er sah mich, winkte und wollte mir etwas zurufen. "Schau maaaaal", zack - er lag schon wieder. Der Sturz sah übel aus. Ich rannte zu ihm hin. Er lag regungslos auf dem Boden.
"Alles in Ordnung?", fragte ich Ihn. Er machte die Augen auf und begann zu lächeln. "Wow, was für eine Fahrt, ich muss gleich nochmal nach oben." Von Schmerz oder Angst keine Spur. Ich konnte noch gar nichts sagen, da war er schon wieder am Schlepplift. Auf dem Weg nach oben rief er mir noch zu: "wer nicht gefallen ist - ist nicht gefahren!, und setzte seinen Weg nach ober fort. Ich dachte mir: "Das ist das richtige Motto!
In den nächsten Tagen macht Volker riesige Fortschritte und konnte am vierten Tag mit uns auf die rote Piste. Wir hatten die Tage wirklich viel Spaß. Bei jedem Sturz musste ich an Volkers Motto denken.

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